Konjunktur: Konjunkturpolitische Instrumente

Konjunktur: Konjunkturpolitische Instrumente
Konjunktur: Konjunkturpolitische Instrumente
 
Ziel der Konjunkturpolitik ist es, den Abweichungen der gesamtwirtschaftlichen Aktivität vom Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft entgegenzuwirken. Die Wahl angemessener konjunkturpolitischer Instrumente hängt dabei entscheidend davon ab, welche Ursachen für konjunkturelle Schwankungen verantwortlich gemacht werden. Während neuere Theorien wie die der realen Konjunkturzyklen die Ursachen auch auf der Angebotsseite der Wirtschaft identifizieren, basiert die angewandte Konjunkturpolitik nach wie vor auf einer weitgehend nachfrageorientierte Erklärung von Konjunkturzyklen. In Deutschland wurde das verfügbare konjunkturpolitische Instrumentarium durch das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 erweitert. Grundsätzlich lässt sich zwischen fiskal- und geldpolitischen Instrumenten der Konjunkturpolitik unterscheiden.
 
 Fiskalpolitische Instrumente und die Lag-Problematik
 
Der Staat beeinflusst durch die Steuer- und Ausgabenpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage direkt und indirekt. Seine eigenen Ausgaben sind direkt nachfragewirksam, indirekt beeinflusst er v. a. über die Höhe von Steuern die Konsum- und Investitionsnachfrage des privaten Sektors. Diese Wirkungsweisen können zur konjunkturpolitischen Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage genutzt werden. Die aktive Konjunkturpolitik wird durch zeitraubende Entscheidungsprozesse erschwert, die zu Zeitverzögerungen (Timelags) führen können. Das Stabilitätsgesetz setzt hier an und zielt mit seinen Instrumenten auf eine Verkürzung des Entscheidungslags (Decisionlags) durch vereinfachte Verfahren zur Nachfragesteuerung. Das Instrumentarium ist symmetrisch ausgestaltet und bietet Ansatzpunkte sowohl zur Konjunkturdämpfung im Boom als auch zur Konjunkturbelebung in der Rezession.
 
 Instrumente des Stabilitätsgesetzes zur Konjunkturdämpfung und -belebung
 
Zur Dämpfung der Konjunktur kann die Bundesregierung im Rahmen der Konjunkturausgleichsrücklage durch Rechtsverordnung die Stilllegung von öffentlichen Haushaltsmitteln bei der Bundesbank anordnen. Ebenfalls kann über ein vereinfachtes Verfahren die Einkommen- und Körperschaftsteuer bis zu 10 % erhöht werden. Weitere dämpfende Effekte können durch die zeitweise Verschlechterung von Abschreibungsbedingungen ausgelöst werden. Zur Stimulierung der Wirtschaft in einer Rezession können zusätzliche Ausgaben und Investitionsprogramme getätigt werden. Der Finanzminister kann bis zu 5 Mrd. DM zusätzliche Schulden machen. Die in der Konjunkturausgleichsrücklage angesammelten Beträge können durch Rechtsverordnung der Bundesregierung freigegeben werden. Weiter können die Einkommen- und Körperschaftsteuersätze linear um bis zu 10 % für längstens ein Jahr gesenkt werden. Ein steuerliches Instrument stellt auch die Anpassung von Steuervorauszahlungen an die konjunkturelle Entwicklung dar. Schließlich können Investitionsprämien gewährt werden.
 
 Monetäre Instrumente der Konjunkturpolitik
 
Es ist in hohem Maße umstritten, ob sich auch die Geldpolitik konjunkturpolitisch betätigen soll. Nach monetaristischen Vorstellungen sollte sie alleine auf eine mittelfristige Stabilisierung des Preisniveaus abzielen. Dennoch ist unstrittig, dass die Geldpolitik konjunkturelle Wirkungen hat. Im Rahmen ihrer Offenmarktgeschäfte und der Festlegung der Sätze für die Spitzenrefinanzierungs- und Einlagefazilität bestimmt die Europäische Zentralbank den Zinssatz am Geldmarkt. Weil dieser einen wichtigen Einfluss auf die Zinssätze für Kredite an Haushalte und Unternehmen ausübt, liegt hier eine konjunkturpolitische Einflussmöglichkeit. Auch die Steuerung der Geldmenge kann Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage haben, weil das Niveau der Geldmenge die Liquidität des privaten Sektors betrifft.
 
 Probleme der Konjunkturpolitik
 
Trotz des verfügbaren reichhaltigen konjunkturpolitischen Instrumentariums herrscht heute weitgehend Einigkeit darüber, dass eine aktive Feinsteuerung der Konjunktur kaum möglich ist. Unter anderem hat sich seit den 70er-Jahren gezeigt, dass der Staat zwar in der Rezession Defizite macht, es andererseits aber kaum gelingt, im Boom diese Defizite wieder zu tilgen. Insgesamt wird das für die Feinsteuerung konzipierte Instrumentarium des Stabilitätsgesetzes seit den frühen 70er-Jahren praktisch nicht mehr angewendet. Genutzt werden hingegen die im Rahmen des Stabilitätsgesetzes eingeführten Institutionen, die auf eine verbesserte Information und Koordination der Fiskalpolitik abzielen. Zu nennen sind hier der Finanzplanungsrat, in dem Bund, Länder und Gemeinden ihre Fiskalpolitik abstimmen, die mittelfristige Finanzplanung und die Berichterstattung der Bundesregierung im Rahmen des Jahreswirtschafts- und Subventionsberichts. Allerdings dienen diese Informations- und Koordinationsinstrumente heute weniger der kurzfristigen Konjunkturpolitik als vielmehr der Zielsetzung einer längerfristigen Orientierung und Effizienzverbesserung der Fiskalpolitik.

Universal-Lexikon. 2012.

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